Die deutsche Industrie ist abhängig von fossilem Gas
Überall dort, wo in der Industrie Wärme erzeugt wird, kommt oft fossiles Gas zum Einsatz: Die deutsche Industrie verbraucht knapp 60 Prozent des nationalen Gasbedarfs, der Rest entfällt auf Haushalte und öffentliche Gebäude.
Die deutsche Industrie ist hochgradig abhängig von Gasimporten. Das betrifft vor allem die Grundstoffchemie, die Lebens- und Düngemittelbranche, sowie das verarbeitende Gewerbe im Bereich der Papier-, Metall-, Glas- und Keramikproduktion. Hersteller sind sprunghaft steigenden Energiepreisen deshalb besonders ausgeliefert. Sie geben die höheren Kosten, die während der Produktion, dem Transport oder der Lagerung anfallen, an Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Das Analyseunternehmen Cambridge Econometrics hat errechnet, dass sich ein Drittel der allgemeinen Preissteigerung in Deutschland im ersten Halbjahr 2022 auf die gestiegenen Preise von fossilen Energien zurückführen ließ. Vor allem die hohen Gaspreise waren für die Inflation ausschlaggebend.
Noch größer als die Sorgen vor einbrechenden Verkaufszahlen in einem wirtschaftlich schwierigen Fahrwasser sind bei Unternehmen jedoch die Unsicherheiten bezüglich der Versorgung mit Gas und der zukünftigen Entwicklung der Energiepreise. Im letzten Winter konnte eine Unterversorgung durch teure Zukäufe von norwegischem Erdgas und den Ausbau von Flüssiggas-Terminals abgewendet werden. Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass Deutschland in Bezug auf Rohstoffe “erpressbar” ist, so der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, im Oktober 2022.
Deutschland hat während der Energiekrise ein schnelles Reaktionsvermögen bewiesen und Ersatz durch neue Gaslieferanten geschaffen. Dennoch ist das eigentliche Problem noch nicht behoben: Bei Lieferunterbrechungen stünde die deutsche Industrie erneut vor großen Problemen. Firmen müssen deshalb gemeinsam mit der Politik die Ursachen der Abhängigkeit beheben und Transformationsprozesse einleiten, die den Einsatz von Gas reduzieren und verstärkt auf erneuerbare Energien bauen.