Wasserstoff ist die Zukunft - aber kein Allheilmittel
Seit Deutschland vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und gestiegenen Energiepreisen seine Spannbreite an alternativen Energieträgern vergrößern will, wird sehr viel Hoffnung auf den zukünftigen Einsatz von grünem Wasserstoff gesetzt. Grüner Wasserstoff ist besonders attraktiv für die Wirtschaft, weil er Gas in der Fertigung und Verarbeitung ersetzen kann und Unternehmen gleichzeitig ermöglicht, ihre klimaschädlichen Emissionen schnell zu senken.
Schon heute gibt es Industrieprozesse, bei denen Wasserstoff genutzt wird - allerdings der klimaschädliche, graue Wasserstoff. Zuallererst gilt es also, den grauen durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, was bereits einen Großteil der globalen Produktion an grünem Wasserstoff in Anspruch nehmen wird.
Doch für welche Branchen lohnt sich eine Umstellung von herkömmlichen fossilen Energieträgern wie Gas und Kohle auf den Treibstoff der Zukunft? Das Umweltbundesamt weist Wasserstoff eine Schlüsselrolle in der industriellen Energieversorgung zu. Unter der Voraussetzung, dass für seine Herstellung Strom aus Wind- oder Sonnenkraft verwendet wird (daher die Bezeichnung als grüner Wasserstoff), sieht die Behörde langfristigen Nutzen von Wasserstoff in der chemischen und Stahlindustrie, sowie als Treibstoff für Containerschiffe, oder als Grundstoff für synthetisches Kerosin in der Luftfahrt. Nicht umsonst sagt man grünem Wasserstoff deshalb auch nach, er sei das Erdöl von morgen – mit dem wichtigen Unterschied, dass Wasserstoff erneuerbar und emissionsfrei ist und an vielen Orten der Welt hergestellt werden kann.
Zum heutigen Zeitpunkt ist eine Wasserstoffindustrie noch Zukunftsmusik. Bislang gibt es nämlich noch kein ausgereiftes System oder Leitungsnetz, das Wasserstoff in großem Maßstab produzieren, verteilen und in die Werkhallen der Abnehmer leiten kann. Das soll sich mit der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie ändern, die neben dem Ausbau erneuerbarer Energiekapazitäten hier im Land auch zunehmend Wasserstoffimporte voraussetzt. Trotz großer Ambitionen wird dadurch bis 2030 ein Bedarf gedeckt, der nur etwa einem Achtel des heutigen industriellen Gasverbrauchs entspricht.
Wasserstoff allein wird den Gasverbrauch in der Industrie also nicht komplett ersetzen. Auch die direkte Elektrifizierung von Prozessen, sowie Maßnahmen zur Effizienzsteigerung sind notwendig. Dort, wo Wasserstoff eingesetzt wird, bergen hohe Importraten außerdem die Gefahr neuer Abhängigkeiten, die im Konfliktfall die Versorgung der Industrie gefährden könnten.
Unternehmen müssen darüber hinaus selbst dafür sorgen, dass sie den Wandel mit vorantreiben. Dass es Alternativen zu Gas gibt, haben auch schon große deutsche Konzerne erkannt. So wird der Stahlerzeuger Salzgitter AG mit drei Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln und weiteren privatwirtschaftlichen Investitionen unterstützt, um seinen Stahl auf Basis von grünem Wasserstoff klimaneutral zu produzieren. Auch Bosch hat den Geschäftszweig für sich entdeckt und investiert 500 Millionen Euro in die Entwicklung eines Geschäftsfeldes für Elektrolysetechnik zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Diese Schritte ermöglichen es den Unternehmen, konkurrenzfähig zu bleiben und mit Innovationen im internationalen Wettbewerb zu punkten.