Zukunft des Gasnetzes: Panikmache der Gaslobby

Rund 500.000 Kilometer lang sind die Gasverteilnetze in Deutschland, durch die Erdgas beispielsweise zum Heizen in unsere Wohnungen transportiert wird. 500.000 Kilometer, die perspektivisch zu großen Teilen um- oder zurückgebaut werden sollen, weil sie in dieser Größenordnung nicht mehr gebraucht werden. Wie es zukünftig mit den Netzen weitergeht, dazu hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen umfassenden Fragenkatalog erstellt, der sich an Betreiber und Kommunen richtet. Er nimmt auch das Thema Rückbau der Netze ins Visier – ein Szenario, mit dem sich Gaskonzerne und Stadtwerke bisher wenig befasst haben. Denn sie verdienen ordentlich am Transport von Gas durch ihre Netze und fürchten um die Auflösung eines lukrativen Geschäftszweigs.


Kein Wunder also, dass die Interessenverbände der Gaswirtschaft Alarm schlagen und der Bevölkerung das Gefühl vermitteln wollen, in Deutschland gingen ohne Gasnetze plötzlich die Lichter aus. Anders als von ihnen behauptet, wird der Gashahn jedoch natürlich nicht einfach zugedreht. Genauso wie die Technologie zum Heizen wird auch die Infrastruktur nicht von heute auf morgen, sondern nur Stück für Stück angepasst. Das steht auch in dem neuen BMWK-Papier: „Gasverteilernetze müssen im Rahmen dieser Transformation bis zu deren Abschluss im Interesse der Gewährleistung der Energieversorgung für Verbraucherinnen und Verbraucher sicher weiter betrieben werden.” Die öffentliche Panikmache der Gaslobby hat nur einen Grund: Statt das langfristige Wohl der Bevölkerung anzustreben, wollen die Gaskonzerne schlichtweg weiter Gas verkaufen – Klima hin oder her. Und alle, die an der weiteren Nutzung der Gasverteilnetze interessiert sind, tragen durch negative Kommentare in den Medien dazu bei, die Angst der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schüren. Gleichzeitig propagiert die Gaslobby Wasserstoff als klimafreundliche Heiz-Alternative zum Erdgas. Doch viele Expertinnen und Experten sind sich einig, dass dies keine sinnvolle Option für Privathaushalte darstellt. Der Traum der Gasindustrie, die bestehenden Erdgasnetze einfach in Wasserstoffnetze umzuwandeln, hat mit der Realität wenig zu tun.


Wie so oft hilft ein Blick auf die Fakten: Das Green Paper des BMWK bietet einen guten Überblick über alle möglichen Fragen zur Zukunft der Gasverteilnetze. Anders als von der Gaslobby verbreitet, ist diese Veröffentlichung jedoch mitnichten ein konkreter Beschluss, durch den plötzlich tausende Menschen ohne Heizstoff dastehen. Wer aktuell Erdgas nutzt, muss sich keine Sorgen machen, dass die Heizung oder der Herd ab morgen kalt bleiben. Vielmehr versteht sich das Papier als Diskussionsgrundlage, die allen Beteiligten, vor allem den Kommunen, bei der Wärmeplanung helfen soll. Denn es gilt „in den verschiedenen Phasen der Transformation”, so die Veröffentlichung, „sachgerechte und die Interessen aller Marktbeteiligten berücksichtigende Antworten zu finden. (...) Dabei sind überraschende Stilllegungen für Nutzer sowie volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Investitionen durch geplante Prozesse zu vermeiden. Ausreichend langfristige Planungen der erforderlichen Transformation der Gasverteilernetze sollen sicherstellen, dass alle Kunden hinreichend Zeit haben, sich auf die Änderungen einzustellen.”


Aktuell nutzen rund 48 Prozent aller Privatwohnungen in Deutschland Gas als Wärmequelle – und teilen sich die Betriebs- und Wartungskosten der Netze. Wenn in den nächsten 15 Jahren mehr und mehr Menschen auf klimafreundlichere Alternativen wie Wärmepumpen oder Fernwärme aus erneuerbaren Energien umsteigen, trägt sich das Erdgasnetz nicht mehr. Je weniger Gaskundinnen und -kunden es perspektivisch gibt, desto teurer wird es für alle, die an dieser fossilen Energie festhalten. Deswegen ist es wichtig, dass die Kommunen frühzeitig umdenken und Konzepte erarbeiten, damit allen – Netzbetreibern wie Abnehmerinnen und Abnehmern – genug Zeit zum Wechseln bleibt. Städte wie Augsburg arbeiten bereits intensiv daran, die Wärmeversorgung ohne fossile Energieträger sicherzustellen. Bis 2040 werden die Augsburger Stadtwerke rund eine Milliarde Euro in den Ausbau der Fern- und Nahwärme investieren sowie in neue regenerative Erzeugungsanlagen und die Nutzung von Abwärme. Das gefällt der Gas-Lobby natürlich nicht – aber dem Klima.